Ausgabe 39

Der Schlüssel

Tabea war mit ihren Eltern im Urlaub. An diesem Abend hatten sie Freunde zum Essen eingeladen. Da keine Kinder dabeisein würden, wollte Tabea nicht mitkommen und im Hotel bleiben, was ihre Eltern ihr auch erlaubten. Gegen 18 Uhr würden ihre Eltern losgehen, bis dahin wollte Tabea mit ihrer neuen Freundin, die sie im Hotel kennengelernt hatte, etwas unternehmen.

Sie hatte sich bereits verabschiedet und stand an der Tür, als ihre Mutter rief: "Tabea, hast du die Karte, falls wir schon weg sind?" "Ja Mama, hab ich." Tabea log ohne rot zu werden. Die Karte brauchte man, statt einem Schlüssel, um ins Zimmer zu kommen, das fand Tabea ganz witzig. Nur leider hatte sie keine Taschen an ihrer Kleidung und um den Hals, an einem Band, wollte sie die Karte auch nicht tragen, das sah zu dämlich aus, deshalb lag sie jetzt unter ihrem Kopfkissen. Sie würde schon rechtzeitig wieder da sein.

Tabea hatte jede Menge Spaß mit ihrer Freundin, mit der sie in einen Park gegangen war, und die Zeit flog nur so dahin. Als sie wieder mal auf ihre Uhr schaute, erschrak sie, es war kurz vor 18 Uhr. Sie rannten, so schnell sie konnten, aber der Park war groß und als Tabea kurz nach 18 Uhr nach Luft ringend an die Tür klopfte, öffnete niemand. "So ein Mist", entfuhr es Tabea, sie hatte sich selber ausgesperrt. Sie überlegte zur Anmeldung zu gehen und nach einer Karte zu fragen, aber das war ihr zu peinlich. Erschöpft ließ sie sich vor der Tür nieder. ‘Das wird Ärger geben, wenn meine Eltern kommen.’ Sie seufzte: ‘Ach Jesus, kannst Du mir nicht helfen?’ Das waren ihre letzten Gedanken, dann schlief sie ein und träumte.... Sie stand in einer langen Reihe von Menschen, die durch eine schöne Tür wollten. Davor stand ein Mann und ließ die Menschen herein oder wies sie ab. Tabea drehte sich um, eine nette alte Frau stand hinter ihr. "Warum dürfen nicht alle durch die Tür gehen?", fragte sie. Die Frau lächelte: "Man braucht den richtigen Schlüssel." "Aber der Mann öffnet doch die Tür, warum brauche ich dann noch einen Schlüssel?" Tabea war verwirrt. "Es ist kein richtiger Schlüssel", sagte die Frau. "Das wirst du schon verstehen, wenn du davorstehst."

Endlich war sie an der Reihe und stand vor dem Mann. Ihr wurde ganz anders, hundert Dinge schossen ihr durch den Kopf... die Bitte des Vaters, die sie überhörte... die absichtlich vergessenen Hausaufgaben... und heute die nicht mitgenommene Karte, obwohl es ihre Mutter gesagt hatte. Jetzt verstand sie, was die Frau meinte, es war, als ob sie sich selbst den Weg durch diese Tür versperrt hatte. Ihr fehlte der richtige Schlüssel. Sie erhielt einen Stoß von hinten und wurde auf die Seite gedrängt.